Politik trifft Praxis: "Einsamkeit"
Politik trifft Praxis: „Einsamkeit stärker in den Blick nehmen“ – CDA und Caritas diskutieren Maßnahmen gegen soziale Isolation
Die Prognosezahlen der Altersstruktur für den Kreis Kleve sprechen eine deutliche Sprache: Bis zum Jahr 2030 wird bei der Gruppe der 65 bis unter 75-Jährigen gegenüber dem Jahr 2016 ein Anstieg von 53,7 Prozent erwartet, bei der Gruppe der über 75-Jährigen von 23,5 Prozent. Neben der künftigen Überalterung der Gesellschaft tritt damit ein weiteres Problem zu Tage – die zunehmende Vereinsamung der Menschen. Auch wenn Einsamkeit nicht nur eine Frage des Alters ist, sind es gerade die älteren Menschen, die künftig in besonderem Maße von Vereinsamung betroffen sein werden.
Nicht von ungefähr stand das Thema „Einsamkeit“ daher im Mittelpunkt der jüngsten Sitzung „Politik trifft Praxis“ der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Der CDA-Kreisvorstand um dessen Vorsitzenden Matthias Wirth, der Landtagsabgeordneten Margret Voßeler-Deppe sowie CDU-Landratskandidatin Silke Gorißen analysierte und diskutierte mit Britta Oellers (MdL) sowie Vertretern des Caritasverbandes Geldern-Kevelaer. Oellers ist als Sprecherin der CDU-Fraktion der jüngst durch den Landtag eingerichteten Enquetekommission „Einsamkeit – zur Bekämpfung sozialer Isolation in Nordrhein-Westfalen“ mit dem Themenfeld bestens vertraut.
„Die Seniorinnen und Senioren können nicht mehr auf familiäre Unterstützungssysteme zurückgreifen, denn es ist schlichtweg niemand mehr für diese Menschen da. Zu der bereits vielfach bestehenden oder drohenden Altersarmut kommt daher noch eine weitere Armut – Einsamkeit“, gibt Caritas-Vorstand Stephan von Salm-Hoogstraeten zu Beginn einen nachdenklichen Ausblick. Hinzu komme, dass Einsamkeit weitere Problemlagen neben der emotionalen Isolation entstehen oder verschärfen lässt. Nicht-pflegerische Betreuungsangebote können oder werden zum Beispiel nicht in Anspruch genommen. „In der Allgemeinen Sozialberatung begegnen wir bereits jetzt immer mehr Seniorinnen und Senioren mit existentiellen Problemlagen wie Miet- und Stromschulden“, so Gerrit Hermans, Bereichsleiter Soziale Dienste der Caritas. „Wir spüren bereits jetzt, dass Seniorinnen und Senioren ohne expliziten Pflegebedarf, jedoch mit erhöhtem Unterstützungsbedarf in der alltäglichen Lebensführung, das bestehende Leistungsangebot der Allgemeinen Sozialberatung überfordern. Eine Situation die bei beginnendem Pflegebedarf nicht besser wird“, beschreibt Hermans die Entwicklung aus Sicht der Caritas und ergänzt: „Die Anrufe von Sozialämtern und Nachbarn von vereinsamten Personen nehmen zu und enden regelmäßig mit der Frage: Könnt ihr euch mal kümmern?“
Der Caritasverband Geldern-Kevelaer spricht sich daher für den Aufbau eines umfangreichen Netzwerkes für Seniorinnen und Senioren zur Gewährleistung der Existenzsicherung und Armutsprävention aus. „Durch adäquate existenzsichernde, psychosoziale und alltagspraktische Hilfestellungen, möchten wir einen Verbleib der Menschen in ihrem gewohnten Umfeld ermöglichen“, formuliert Hermans die Zielsetzung. Konkret geht es um die Errichtung zentraler Anlaufstellen in den Kommunen.
Britta Oellers sieht ebenfalls eine große Herausforderung auf die Kommunen zukommen: „Einsamkeit kann alle treffen – unabhängig von Einkommen und Bildungsgrad. Bei der Quartiersarbeit ist künftig das Thema Einsamkeit zu berücksichtigen, auch wenn wir nicht jeden von zu Hause abholen können. Aber wir können es den Menschen erleichtern, die ersten eigenen Schritte zu tun.“ Oellers setzt dabei stark auf das Ehrenamt. Margret Voßeler-Deppe gab allerdings zu bedenken, dass die Angebote auch Leute erreichen müssten, die das Haus nicht mehr verlassen können.
Ein wichtiger Baustein seien die offenen Cafés der Caritas-Centren, berichtet Ernst Heien, Koordinator des Caritas-Centrums Geldern: „Das Café in Geldern ist ein wichtiger Ort Begegnung für Menschen mit wenig sozialen Kontakten. Hier kommen Menschen ins Gespräch – auch über Ihre Sorgen und Nöte. Der Schritt zur Nutzung des Beratungsangebots falle dann oftmals deutlich leichter.“ Einigkeit herrschte bei allen Diskussionsteilnehmern darin, dass solche Angebote eine größere Bekanntheit erfahren sollen.
Oellers: „Corona hat viel Arbeit der Vergangenheit kaputt gemacht. Wir hoffen, dass wir bald wieder in eine Situation kommen, dass niemand mehr Angst hat Menschen zu treffen.“ Matthias Wirth hatte bereits die Zeit nach dem 13. September im Blick. „Wir müssen das Thema Einsamkeit nach der Kommunalwahl stärker in den Blick nehmen und auf die Agenda setzen“, versprach er den Teilnehmern aus Politik und Praxis.
(Christian Hälker / Caritas)